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24.02.2022
Rugby

„Es macht mir einfach Spaß“

Auch wenn Marko Deichmann nicht mehr selbst aktiv ist, durch die Rolle als Schiedsrichter ist immer noch mittendrin. Im Interview berichtet er über seine Anfänge und die Besonderheiten beim Rugby.

Seit wann bist du Schiedsrichter?
Marko Deichmann:
Offiziell bin ich seit 2003 Schiedsrichter, habe aber vorher schon im Kinder- und Jugendbereich immer mal wieder gepfiffen.

Und wie bist du dazu gekommen?
Marko:
 Durch zuvor erwähnte Tätigkeit im Jugendbereich. Das hatte mir Spaß gemacht und die Leute meinten, dass ich ganz gut pfeifen könne. Dann habe ich eben die Lizenz gemacht.

Wie sieht die Ausbildung aus und wie wird die Lizenz erworben?
Marko:
Im Rugby gibt es vier Levels. Wenn man im Kinder- und Jugendbereich anfängt, bekommt man die D-Lizenz. Anschließend folgen die C-, B- und A-Lizenz. Man fängt mit C an und erhält nach zwei Jahren automatisch – sofern man regelmäßig pfeift, dies auch nachweisen und dokumentieren kann – die B-Lizenz. Mit dieser darf man bis zur 2. Bundesliga pfeifen, muss aber spätestens alle zwei Jahre an einer Fortbildung teilnehmen. Wenn man möchte, kann man anschließend noch die A-Lizenz machen, um Bundesliga leiten zu dürfen. Aber das ist schon etwas aufwändiger. Ich hatte dafür nicht genug Ehrgeiz, bin in B geblieben, mache meine regelmäßigen Lizenzen und bin viel in der Bundesliga als Assistent [Linienrichter; Anm. d. Red.] eingesetzt.

Seid ihr eigentlich beim Rugby durch Headsets miteinander verbunden?
Marko:
In den höheren Ebenen ist es inzwischen Standard, dass das Dreiergespann mit Mikros und Headsets ausgestattet und somit miteinander verbunden ist. Bei den Bundesligaspielen ist oftmals noch ein Schiedsrichter-Coach für den Hauptschiedsrichter dabei, der dann ebenfalls mit drinhängt.

Im Triathlon es beispielsweise so, dass Strafen fällig sind, wenn nicht genug Kampfrichter gestellt werden. Wie sieht es da im Rugby aus?
Marko:
Im Rugby gab es ebenfalls lange Zeit Strafen. Dann hat man aber gemerkt, dass das nichts bringt, da sich insbesondere die großen Vereine freigekauft haben. Das Problem der zu wenigen Schiedsrichter war somit nicht gelöst. Deshalb wurde später die Regel eingeführt, dass die Vereine mit Mannschaften in der Bundesliga pro Team einen Schiedsrichter stellen müssen. Ist das nicht der Fall, dann bekommt die Mannschaft nicht die Lizenz für die Bundesliga. Somit haben die Vereine die Motivation, Schiedsrichter auszubilden.

Viele Vereine beklagen, dass es immer schwieriger sei, Freiwillige für dieses Amt zu finden. Wie ist die Situation in deiner Sportart?
Marko:
Als ich selbst noch aktiv Rugby gespielt habe, hatten wir oft keinen Schiedsrichter. Dann mussten beispielsweise Trainer pfeifen. Inzwischen sind wir in Hessen, aber auch bundesweit deutlich besser aufgestellt. Es gibt heutzutage zahlreiche Schiedsrichter, auch im Jugendbereich. Da bei der Eintracht nur die Frauen in der Bundesliga spielen, reicht uns theoretisch ein Schiedsrichter. Auch wenn die Herren in die 2. Bundesliga aufsteigen würden, könnten wir die Vorgaben erfüllen. Wir sind insgesamt drei lizenzierte Schiedsrichter.

Ich bin zwar nicht mehr aktiv, aber in der Rolle als Schiedsrichter doch noch mittendrin

Marko Deichmann

Total spannend ist beim vermeintlich harten Sport Rugby die Regel, dass nur die Kapitäne mit dem Schiedsrichter sprechen dürfen. Dadurch gibt es keine Rudelbildungen ...
Marko:
Es ist eine sehr hilfreiche Regel. Der Schiedsrichter ist im Rugby eine Respektperson. Das wird schon den Kindern beigebracht. Die Kapitäne sind diejenigen, die mit dem Schiedsrichter sprechen, wenn es irgendetwas zu beanstanden gibt. Oftmals hat man noch einen weiteren Ansprechpartner, der für den Sturm zuständig ist, eine Art Sturmführer. Wenn er im normalen Ton auf eine Aktion im Gedränge hinweist, dann ist das für mich auch in Ordnung und bin ich ihm dankbar. Sobald ein anderer Spieler anfängt zu diskutieren, gibt es einen Hinweis an seinen Kapitän. Wenn dieser Spieler weiterdiskutiert, wird er zehn Minuten vom Platz geschickt und kann sich dann überlegen, ob er weiter mit mir reden möchte.

Den Zuschauern kannst du keine gelbe Karte geben. Inwiefern gibt es dort Beschimpfungen?
Marko:
In der Hessenliga, in der ich meist pfeife, sind die Zuschauerzahlen eher überschaubar und die meisten kenne ich persönlich. In der Bundesliga geht es schon heftiger zu. Hier muss der Heimverein im Normalfall Ordner stellen, die gegebenenfalls Zuschauer vom Patz verweisen müssen. Das kommt zum Glück aber nur sehr selten vor.

Wie viele Einsätze hast du etwa in einer Saison beziehungsweise in einem Jahr?
Marko:
Ich muss etwa zwölf Mal pro Saison pfeifen – manchmal mehr, manchmal weniger.

Wie viel Zeit musst du an solch einem Wettkampf- beziehungsweise Spieltag aufwenden?
Marko:
Wenn ich als Assistent eingesetzt bin, sind wir eineinhalb Stunden vor Spielbeginn vor Ort. Dann gibt es zunächst ein gemeinsames Briefing. Das Spiel dauert zwei Mal 40 Minuten, hinzu kommt eine Pause von 15 Minuten. Die Anfahrtswege sind im RheinMain-Gebiet überschaubar. Von Anfahrt bis Rückkehr bin ich insgesamt circa sechs Stunden unterwegs.

Es ist ein enormer Zeitaufwand, du bekommst wenig Aufwandsentschädigung. Warum opferst du so viel Zeit? Was ist deine Motivation?
Marko:
Ich habe selbst lange Rugby gespielt. Zu der Zeit habe ich mitbekommen, wie problematisch die Schiedsrichtersituation war. Ich bin durch die Kinder- und Jugendturniere mehr oder weniger reingerutscht. Es macht mir einfach Spaß und gibt mir immer noch die Möglichkeit, Rugby zu „spielen“. Ich bin zwar selbst nicht mehr aktiv, aber begleite immer noch die Spiele und bin somit doch noch mittendrin. Da Rugby noch immer eine Randsportart ist, sind wir außerdem wie eine kleine Familie. Man kennt sich. Und das ist einfach schön.

Gab es besondere Erlebnisse?
Marko:
Ein Ereignis vor circa fünf Jahren werde ich nie vergessen. Ich war bei einem Bundesligaspiel als Assistent eingeteilt. Wir waren bereits zu zweit vor Ort, dann klingelte mein Telefon. Am anderen Ende der Leitung war der Schiedsrichter-Obmann und sagte: „Der Hauptschiedsrichter schafft es wahrscheinlich nicht und du musst jetzt das Spiel pfeifen!“ Ich habe noch nie ein Bundesligaspiel gepfiffen. Entsprechend ist mir das Herz in die Hose gerutscht, ich war extrem nervös und habe gezittert. Wir haben uns besprochen – und dann kam zum Glück doch noch der Hauptschiedsrichter.